This is a German (slightly updated) version of an earlier post. The original post can be found here.
In einem Monat findet die Bundestagswahl statt. Wie ich bereits Anfang Dezember dargelegt habe, halte ich nach wie vor eine große Koalition zwischen der CDU/CSU und der SPD für das wahrscheinlichste Ergebnis.
Auch wenn sich meine Einschätzung des Rennens nicht geändert hat, bin ich nervös. Mein Modell weicht stark von den Umfragen ab, insbesondere mit Blick auf die SPD, die Grünen und die AFD. Die Abweichung ist viel stärker als in der letzten Wahlperiode. Ich will ehrlich sein: Mein Modell könnte nach der Wahl ein schlechtes Bild abgeben. Aber dazu später mehr. Schauen wir uns erst einmal an, wie das Rennen derzeit steht. Wir gehen jede Partei einzeln durch, geordnet danach, wie stark mein Modell von den Umfragen abweicht.
Die AFD wird das beste Wahlergebnis seit ihrer Gründung erzielen
Elon Musk hat sich für Donald J. Trump eingesetzt, der zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde. Hat er sich mit der AFD eine weitere Gewinnerin ausgesucht?
Den Umfragen zufolge scheint er tatsächlich auf das richtige Pferd gesetzt zu haben. Meinem Modell zufolge lautet die Antwort: nein.
Die AFD hat in den Umfragen seit der Ankündigung der Wahl Anfang November stark zugelegt und ist von 18 % auf rund 20,8 % gestiegen. In meinem Modell haben sich ihre Chancen jedoch nur von 15,2 % auf einen prognostizierten Stimmenanteil von 18.1 % verbessert. Zwischen den Umfragen und der Vorhersage meines Modells liegt also ein Unterschied von 2,7 % für die rechtsextreme Partei.
Tatsächlich glaube ich nicht, dass es einen großen Unterschied machen wird, ob die Umfragen oder mein Modell richtig liegen. So oder so wird die AFD ihr bisher bestes Wahlergebnis auf nationaler Ebene erzielen. Alle Parteien haben eine Koalition mit der AFD ausgeschlossen; auch die einzige Partei, für die eine solche Koalition auch nur annähernd in Frage kommen würde, die Union. Ein starkes Ergebnis der AFD würde dennoch Schockwellen durch Deutschland schicken und die resultierenden Koalitionsverhandlungen sehr viel schwieriger machen .
Doch die AFD ist nicht die einzige Partei, die laut meinem Modell hinter ihre Umfrageergebnisse zurückfallen wird.
Werden die Grünen wieder enttäuscht aus der Wahl hervorgehen?
In den vergangenen drei Monaten sind die Grünen in den Umfragen von 10,5 % auf 13,4 % gestiegen und haben damit einen ähnlichen Zuwachs wie die AFD erlebt. Meinem Modell zufolge werden sie jedoch bei etwa 11,9 % landen, also 1.5% weniger als ihre aktuellen Umfragewerte vermuten lassen.
Es würde mich nicht überraschen, wenn sich die Umfragewerte der Grünen meinem Modell annähern, denn auch sie erlebten bei der Bundestagswahl 2021 einen enormen Anstieg in den Umfragen, der sich jedoch als Illusion entpuppte (was mein Modell richtig vorhergesehen hat).
Außerdem haben die Grünen in der Vergangenheit ihre Umfragewerte immer wieder verfehlt. Da die CDU/CSU viel mehr Gemeinsamkeiten mit der SPD als mit den Grünen hat, werden letztere wahrscheinlich in der Opposition landen.
Die SPD: Kanzler adé
Ich habe schon einmal den Untergang der SPD vorhergesagt und lag damit völlig falsch. Diesmal ist mein Modell allerdings ein gutes Stück optimistischer als die Umfragen, denn mein Modell sagt ein Wahlergebnis von 17,5 % voraus, während die Umfragen sie bei 15,8 % sehen (also 1.7 % Abstand). Interessanterweise haben sich ihre Umfragewerte seit dem Auseinanderbrechen der Regierungskoalition kaum verändert. Olaf Scholz, der derzeitige und höchstwahrscheinlich nicht künftige Bundeskanzler, ist immer noch optimistisch, dass er ein Comeback im Stil von 2021 schaffen kann, aber die Chancen dafür werden mit jeder neuen Umfrage geringer.
Wie ich bereits im Dezember gesagt habe, glaube ich, dass die SPD noch etwas zulegen kann. Ein stärkeres Abschneiden der Sozialdemokraten würde eine große Koalition mit der CDU/CSU wahrscheinlicher machen. Das Ergebnis der beiden Parteien werde ich am Wahlabend am genauesten beobachten.
CDU/CSU: Die Langweiler
Mein Modell und die Umfragen haben sich im Grunde genommen angenähert und sehen die Christdemokraten bei etwa 30,5 %. Mehr habe ich dazu nicht wirklich zu sagen, also weiter…
Welche der kleineren Parteien wird es über die 5-%-Hürde schaffen?
Für die FDP, das BSW und die Linke wird die Wahlnacht eine existenzielle Herausforderung. Alle drei Parteien liegen sowohl laut mein Modell als auch in den Umfragen so nahe an der 5-%-Marke, dass es für jede einzelne (oder alle von ihnen) ein sehr bitterer Abend werden könnte.
Mein Modell hat die Chancen der FDP durchweg optimistischer eingeschätzt als die Umfragen. Aber mein Modell berücksichtigt (noch) nicht die Skandale und die Medienberichterstattung. Die FDP hat einen großen Teil (manche sagen sogar den größten Teil) der Schuld für das Scheitern der Regierungskoalition auf sich geladen. Die FDP-Führung hat sich auch in Bezug auf einen internen Plan zum Ausstieg aus der Regierung, intern sehr unsensibel als „D-Day“ bezeichnet, im Ton vergriffen und in Widersprüche verwickelt. Diese Faktoren könnten erklären, warum die Umfragewerte der Partei so schwach sind und nur eine Handvoll Umfragen sie bei 5 % sehen.
Das neue Wahlverhalten
Was bedeuten diese Abweichungen zwischen Modell und Umfragen nun für mich und mein Modell? Wie ich bereits erwähnt habe, werden entweder mein Modell oder die Umfragen am Wahltag falsch liegen (insbesondere in Bezug auf die AFD, die Grünen und die SPD). Deshalb mache ich mir zunehmend Sorgen, ob mein Modell für diesen Wahlzyklus schlecht kalibriert ist.
Kürzlich habe ich diese Sorge mit einem Freund geteilt, der ebenfalls ein Data-Nerd ist. Dieser Freund ist ein kluger Mann und ein guter Freund, und er wies mich darauf hin, dass, wenn mein Modell in diesem Jahr völlig falsch liegt, wir zumindest wissen, welche grundlegenden Annahmen über die deutsche Wählerschaft sich geändert haben. Das ist an sich schon eine wertvolle Erkenntnis.
Um die Dinge etwas zu vereinfachen, kann man mein Modell so beschreiben: Umfragen + langfristige Trends + Wirtschaftsdaten (eine längere Erklärung, wie es funktioniert, findet ihr hier). Wenn Wirtschaftsdaten und langfristige Trends nicht mehr so aussagekräftig sind, könnte das darauf hindeuten, dass die deutsche Wählerschaft den Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Lage und den Parteien anders bewertet. Es könnte auch bedeuten, dass Wirtschaftsdaten einfach nicht mehr so wichtig sind, wie zum Beispiel kulturelle Fragen. Eine weitere Erkenntnis könnte sein, dass langfristige Trends weniger wichtig sind. Diese Annahme erscheint mir mir intuitiv richtig, wenn man bedenkt, dass sich der Nachrichtenkonsum zu einem großen Teil auf die sozialen Medien verlagert hat und die Aufmerksamkeitsspanne und das Erinnerungsvermögen entsprechend abgenommen haben.
Aber zunächst bleibt abzuwarten, wie die Wahl verläuft. Ich werde einen Post über die Performance meines Modells und die Wahl an sich kurz nach dem Wahltag, dem 23. Februar, hier veröffentlichen. Bis dahin findet Ihr die neuesten Vorhersagen hier. Außerdem werde ich im kommenden Monat regelmäßig Updates und kürzere Zusammenfassungen auf Bluesky und X veröffentlichen.